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Was kann man denn schon groß Sinnvolles Tun außer Malen…..

 

Wir lieben die Realität in der Kunst. In abstrakten Gemälden sehen wir Landschaft, Gestimmtheit, Klang und Stille, Licht und Schatten, sofern es das Werk für uns transportiert. Ein Kunstwerk braucht Realität, Möglichkeit des Daseins, es mag noch so stilisiert oder abstrakt sein: schafft es in seinem Organismus nicht die Realität nach, ist es für uns wertlos.
Auch Fotos sind für uns Realität. Wir vergessen oft, dass sie zumeist arrangiert sind, dass sie keineswegs einen Anspruch auf Objektivität erheben können. Der Fotorealismus nun führt diese Künstlichkeit wieder vor Augen, indem er den gestockten Augenblick des Fotos, die festgehaltene Realität noch einmal dehnt, indem das Motiv von der Maschine zurück in die Hand gleitet und in einem verlangsamten kontemplativen Moment sich noch einmal erschafft. Hier wird aus Chemie wieder Farbe, Duktus, Handschrift, das Objektiv verwandelt sich in ein Subjektiv.
Die Hand des Menschen ergreift uns ganz anders als die Maschine es könnte, womit nichts gegen das Foto als Kunstform gesagt sein soll. Je mehr aber die Hand der Maschine gleicht, desto mehr staunen wir, sind verblüfft. Darum gibt es den Fotorealismus vierzig Jahre nach seinem Erscheinen immer noch und wird ihn vermutlich immer geben. Der technische, virtuose Aspekt tritt in ihm stärker zutage als in anderen Sparten. Wer etwas durchsichtiges oder eine Spiegelung glaubhaft darstellen kann, wird unserer Verblüffung immer sicher sein, wer dies Handwerk gar wie Raimund Sotier beherrscht, wird über den Moment der Verblüffung hinaus gehen und nachhaltig beeindrucken. Es lohnt sich an diese Bilder nahe heran zu gehen, um sich ihre Brillianz vor Augen zu führen, um das zu kosten, was sie immer von der Vorlage unterscheiden wird.

 

weiteres zu den Bildern…..

 

Auf die Frage: Was passt in ein Gedicht? erwiderte der Dichter Robert Gernhardt : die ganze Welt. Dem Gedicht ähnelt das Bild. Es sind verwandte Seelen, Dichter und Maler, die sich zwar geschieden durch Sparten, aber unter dem selben vereinigenden Himmel der Kunst, um die Baupläne ihrer Werke kümmern. Alle Kunst ist Allegorie, ist Aneignung der Welt, die uns umgibt. Nur so verstehen wir Sprache, nur so haben wir als Betrachter die Möglichkeit, uns in den Werken aller Zeiten zu spiegeln, um damit unser Leben zu bereichern und in neue Kontexte zu führen, um ein Teil des Phänomens zu werden, das wir Kultur nennen.
Nicht zuletzt der große Kulturkritiker Marcel Proust, der Wiederentdecker Jan Vermeers, des zeitlosesten aller Interieur- und Stillebenmaler, war sich der Tatsache bewusst, dass die Schönheit eines Bildes nicht davon abhängt, welche Gegenstände in ihm abgebildet sind, sondern einzig davon, in welchem Zusammenhang untereinander sie erscheinen und in welchem Maße sie das ewige Licht des Himmels zu symbolisieren im Stande sind. Das kann ein alter Lederschuh ebenso gut, wie eine verfaulte Quitte, ein Goldpokal, oder eine Seifenschale. Ob kostbar, ob dürftig im Sinne ihrer realen Existenz im Alltag, ist es in ihrer künstlerischen Erscheinung im Bild allein von Bedeutung, in welchem Gefüge zu einander sie etwas nachschaffen, das über ihre bloße Gestalt hinausgeht. Sie müssen also durch ihre malerische Umsetzung transzendieren. Das ist das Geheimnis der Kunst. Diesem Geheimnis widmen sich seit Jahrtausenden die Künstler, nicht um es zu entschlüsseln, sondern um es zu bewahren und immer wieder aufs neue zu erschaffen.
Auch Raimund Sotier ist so ein der Wahrheit in der Kunst verpflichteter Mittler zwischen zwei Welten, nämlich dem sakralen Raum der Kunst und der Profanität des Alltags.
Es sind alltägliche Dinge, die er darstellt, Kannen, Flaschen, Tische, Tischdecken. Alle diese Dinge sind genauso gut austauschbar wie sie wiederverwendbar sind. So ist sein Depot an Stillebenutensilien denkbar klein. Der Maler teilt sich mit über sehr wenig. Aber mit diesem Wenigen schafft er immer aufs neue originäre Kunstwerke, die sich mit ihm weiterentwickeln und optimieren. Die Gegenstände werden von ihm, man könnte sagen regelrecht missbraucht und benutzt, um etwas zu sagen, das letztendlich viel mehr mit Zeit und Raum zu tun hat, als mit Verwendbarkeit im Alltag. So wird eine Blechkanne zu einen Katalysator für eine Tischdecke, deren Musterung sich in einem Wirbel in ihr zusammenballt wie Luft in einem Sturm. Irritiert versuchen wir diesem Umstand des momentanen Schwindelgefühls auf die Spur zu kommen. Wir versenken uns, wir erleben vielleicht am nächsten Morgen am Frühstückstisch bei Betrachtung einer Zuckerdose etwas ähnliches, das wir ohne Sotiers Bild vielleicht so nicht hätten wahrnehmen können. In einem Wort: seine Kunst hat die Potenz, uns für unsere eigene kleine Welt zu sensibilisieren und für Augenblicke aus ihr zu erheben.